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Notker Wolf sprach in Weißenburg:

„Flüchtlinge sind nicht per se Heilige“

Der einst oberste Benediktiner stellte im Wildbadsaal sein Buch „Schluss mit der Angst!“ vor – ausgewogener Vortrag

 

WEISSENBURG (ley) – Das Grundgefühl Angst wird gerne instrumentalisiert. Scheint ihr Bezug dem Argumentierenden plausibel, ist sie wichtiger Lebenserhaltungsmechanismus. Andernfalls wird der Angsthabende zu demjenigen erklärt, der ein Problem hat. So oder so: „Schluss mit der Angst!“ Das empfahl bei seiner Buchvorstellung der ehemals weltweit oberste Benediktiner Notker Wolf nun vor 200 Besuchern im Weißenburger Wildbadsaal.

 

Der Untertitel seine Werkes verdeutlichte dabei, um welches spezifische Angstgefühl es sich in dessen Kern handelt: „Deutschland schafft sich nicht ab!“ kann gar nicht anders denn als Antwort auf das bis auf ein Wort gleichlautende Buch Thilo Sarrazins verstanden werden. Wenngleich Wolf, der sich 2016 als Abptrimas der benediktinischen Konföderation in Rom verabschiedete und in seine ehemalige Wirkungsstätte St.Ottilien nahe des Ammersees zurückkehrte, erst einmal sich dem Phänomen der „German Angst“ im Allgemeinen annäherte: vor dem Klimawandel, vor der Altersarmut, um die Gesundheit und ehedem auch vor dem Waldsterben. „Wo ist das eigentlich geblieben?“ fragte der Redner provozierend. Wer sich davor ängstigt, dass Flüchtlinge zu viel kosten, dem hielt der Geistliche entgegen, dass „Schäuble letztes Jahr Milliarden gescheffelt hat“, was besagte Ausgabenpositionen als „einen Klacks“ erscheinen ließen. Auch an seine Auseinandersetzungen mit einem anderen Politiker ähnlicher Couleur erinnerte sich der Mittsiebziger zurück: nämlich jene mit einem bayerischen Innenminister namens Günther Beckstein, Zankapfel sei damals das Kirchenasyl gewesen. Wolf erinnerte auch den „Fall Dinklage“. Im dortigen Kloster hatten Benediktinerinnen sich Rosenkranz betend um ein Polizeiauto gestellt, um den Abtransport von Hilfesuchenden zu verhindern. Mit Erfolg – vom obersten Ordenschef gab es dazu ein Glückwunschtelegramm. Weil er beide Länder gut kennt, verglich der Seelsorger in puncto Angst Deutschland mit Italien. Beziehungsweise in puncto Sicherheit, deren Verabsolutierung der Redner als Grund für jenes Gefühl ausmachte. In dem mediterranen Land genieße man das Leben, in Deutschland sei man auf größtmögliche Absicherung erpicht – was nichts helfe: „Trotz Lebensversicherung sterben die Menschen“. Absolute Sicherheit gäbe es nicht, wie ein Blick auf die Unfallmeldungen zeige. Und auch Flüchtlinge habe es immer schon gegeben – wie auch die Germanen, Bajuwaren und Vandalen, die einst Italien beehrt haben. Aber „übrig blieben immer die Römer.“ Denn „Integration braucht als Langzeittherapie Geduld und Zeit.“ Im 19. Jahrhundert seien viele Deutsche in die USA geflohen, weil sie Hunger hatten: „Heute würde wir aus sie als Wirtschaftsflüchtlinge herabschauen.“ Mit Blick auf die heutige Situation gestand Wolf aber auch zu: „Wir können nicht unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen.“ Aber wer von einer Obergrenze spreche, rede von Zahlen, Merkel habe bei der Grenzöffnung an Menschen gedacht. Letztlich aber „gibt es keine ideale Lösung.“ Die Kanzlerin hätte ihrem berühmten „Wir schaffen das!“ ein „Wir wissen zwar nicht wie, aber wir machen uns gleich dran“ folgen lassen sollen. Denn es sei auch klar, dass „Flüchtlinge nicht per se Heilige sind“ und das Gewaltpotenzial natürlich steige, wenn junge Menschen über längere Zeit nichts zu tun haben. Der Kulturschock beiderseits sei auch nicht zu verharmlosen. Eine muslimische Frau, die die Verschleierung verinnerlicht habe, fühle sich wie eine Striptease-Tänzerin, wenn sie das Textil ablegen soll. Italien habe indes im Gegensatz zu Deutschland mit Islamverbänden ein Abkommen geschlossen, dass Freitagsgebete oder Predigten auf italienisch zu halten seien oder übersetzt würden. Hierzulande sei entsprechendes in „Multikulti-Zeiten“ undenkbar gewesen - „aber man darf ja auch dazu lernen...“. Das forderte Wolf auch von Flüchtlingen ein. Die wüssten zwar via Handy vieles über Deutschland. Aber nicht unbedingt, dass es „Freiheit nicht ohne Verantwortung und Wohlstand nicht ohne Arbeit gibt“. Wenn ein afrikanischer Bruder seine Hand aufhalte, empfehle er ihm, dies doch unter einem Apfelbaum zu tun, so der Referent. Als leuchtendes Beispiel, wie befreiend die christliche Botschaft sein kann, nannte Wolf Nelson Mandela, der nach seiner langjährigen Inhaftierung in Südafrika Präsident des Landes wurde und Hassgefühle vermissen ließ. Ein solches Verhalten „wünsche ich mir auch von Christen.“ Zumal die biblischen Worte „Fürchtet Euch nicht“ die Klammer der Botschaft Jesu bildeten. Klare Worte fand der Würdenträger auch bezüglich des Umgangs mit Andersgläubigen: „Wir müssen Muslimen Integration zumuten“ - schließlich genössen sie hier die demokratische Freiheit, während Christen in deren Ursprungsländern nur über eingeschränkte Religionsfreiheit verfügten. Oder auch über nahezu keine Rechte wie in Saudi Arabien. Für den eigenen Glauben aber könne die Migration ein Segen sein. Manchmal denke er, „der Herrgott hat uns die Muslime geschickt, damit wir wieder Christen werden.“ Die muslimischen Gläubigen hätten aber noch einen langen Weg vor sich, um eine Toleranz aufzubringen, wie sie hier bereits gang und gäbe sei. Am Ende des Vortrags gab es großen Applaus und einen Geldsegen für die Initiative „Weißenburg hilft“ - ihr kam der Erlös des Abends in Höhe von 1000 Euro zugute, die mittels eines symbolischen, übergroßen Schecks überreicht wurden. Zum Signieren seiner Bücher nahm sich Wolf danach noch gerne Zeit.

Text und Fotos: Jürgen Leykamm (mit freundlicher Genehmigung des Autors)

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